Dr. jur. Ernst Ebeling, Oberbürgermeister der Residenzstadt Dessau
Der vorliegende Ordensnachlass besticht durch seine Vielseitigkeit, und da fünf anhaltinische Orden und Ehrenzeichen an einer Schnalle nahezu nicht zu überbieten sind, konnte ich mir diesen Nachlass natürlich nicht entgehen lassen.
Lebenslauf und Karriere
Ernst Ebeling wurde am 01.02.1859 in Magdeburg geboren, nach dem Abitur studierte er Jura in Halle und Berlin. Während seines Studiums wurde er Mitglied der Schwarzburgbund- Verbindung Tuiskonia Halle. Nach dem 1883 bestandenen 1. Staatsexamen absolvierte er ein Referendariat und promovierte zum Dr. jur.
Direkt nach seinem 1888 absolvierten 2. Staatsexamen wählte man ihn zum Bürgermeister der Stadt Hohenstein-Ernstthal, zwei Jahre wechselte er als Bürgermeister nach Meerane.
Nach dem Selbstmord des Dessauer Oberbürgermeisters Dr. Friedrich Funk wurde Dr. Ebeling von der Stadtverordnetenversammlung am 18.12.1897 zum Oberbürgermeister gewählt, am 03.02.1898 trat er sein Amt an. Nach Ablauf der regulären zwölfjährigen Amtszeit wurde Dr. Ebeling am 01.02.1910 wiedergewählt.
Dessaus Wirtschaft entwickelte sich in Ebelings Amtszeit dank zunehmender Industrialisierung enorm weiter, man denke hier z.B. an die Dessauer Waggonfabrik oder die Hugo-Junkers-Werke. Auch um die infrastrukturelle und kulturelle Entwicklung der Stadt machte sich Ebeling verdient; in seiner Amtszeit kam es zum Bau der elektrischen Straßenbahn, zur Einrichtung der städtischen Volksbücherei, zur Einrichtung der Handelsschule und zur Gründung des Landesmuseums. Darüber hinaus wurde die Stadt auch durch weitere karitative Einrichtungen, wie z.B. die Sanitätswache, das Waisenhaus, die Kinderkrippe und das Armenstift bereichert. Auch der Neubau des Dessauer Rathauses 1899-1901 fiel in seine Ägide.
Neben dem Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Dessau nahm Dr. Ebeling diverse weitere Verantwortungen und „Nebentätigkeiten“ wahr; z.B.
Vorsitzender beim Gewerbegericht Dessau
Sitz im herzoglichen Kreisverwaltungsgericht Dessau
Polizeichef von Dessau
stellvertretender Kreisdirektor und Kreistagsabgeordneter im Kreis Dessau
Sitz im Direktorium der städtischen Sparkasse
Aufsichtsratsvorsitzender der Dessau- Wörlitzer Eisenbahn
Vorstand der Deichgenossenschaft zur Verwallung des Stadtangers bei Dessau
Vorsitzender des Kuratoriums der städtischen Handelsrealschule, der städtischen Kunstgewerbe -und Handwerkerschule und der allg. Fortbildungsschule und Vorsitzender des Schulvorstands der kaufmännischen Fachschule Dessau
Mitglied des Plenums der Landarmendirektion Dessau und der Kreiskommission für Waisenpflege
Mitglied des Gesamt- Stipendien- Konvents und Vorsitzender der Baron- Moritz- von Cohn- Stiftung
Sitz im Kuratorium der Kinderheilstätte "Herzogin Marie" bei Oranienbaum
Mitglied des Landesausschusses für Kriegskrankenpflege vom Roten Kreuz
Ebeling war auch Mitglied der Freimaurerloge Esiko zum aufgehenden Licht in Dessau.
Auch die „Bismarck- Säulen- Welle“ ging, wenn auch spät, nicht an Anhalt vorbei. Im April 1914 wurde ein Ausschuss zur Errichtung eines Bismarckturmes gegründet. Den Vorsitz übernahm der herzogliche Staatsminister Dr. Ernst von Laue (1855-1923), mit dabei waren der Generalmajor Friedrich von Kracht (1844-1933) und natürlich auch Oberbürgermeister Dr. Ernst Ebeling. Ein Jahr später war das Denkmal fertig und Dr. Ebeling hielt auch die Festansprache zur Einweihung.
In den Kriegsjahren waren neben der durch Einberufung vieler städtischer Bediensteter anfallenden zusätzlichen Tätigkeiten auch die Versorgung der Bevölkerung zu sichern und dies führte neben zahlreichen Verdiensten und damit verbundenen Auszeichnungen letztlich zum Sturz Ebelings. Am 11.01.1918 reichte Dr. Ernst Ebeling seinen Rücktritt als Oberbürgermeister ein, er übernahm für einen Lebensmittelskandal die Verantwortung, der am Ende des Ersten Weltkrieges bei der Verteilung von Waren durch Beamte und Angestellte der Stadtverwaltung vorgekommen war.
Seinen Ruhestand verlebte er in Wernigerode, wo er bereits viele Jahre seinen Urlaub im Hotel „Steinerne Renne“ verbracht hatte. Hier starb Dr. Ernst Ebeling am 26. November 1932.
Sein Nachfolger im Amt, Fritz Hesse, charakterisierte ihn folgendermaßen: „Parteipolitisch trat Ebeling niemals hervor. Er war überzeugter Monarchist, und das nationale Pathos, das viele seiner Reden beschwingte, war bei ihm echt. Gegenüber politisch Andersdenkenden bewies er Toleranz. Seine Unvoreingenommenheit und Aufgeschlossenheit wurde besonders von der Sozialdemokratie angenehm empfunden, und von ihrem Führer Peus wurde er stets respektiert.“
Ebelings Ehrungen
Als Oberbürgermeister der Residenzstadt Dessau war Ebeling natürlich für reichlichen Ordenssegen prädestiniert. Wie der Nestor der Anhaltinischen Ordenskunde, OMR Dr. Gerd Scharfenberg in seinem Grundlagenwerk bereits feststellte, ist die Aktenlage durch die Kriegsverluste nur sehr bruchstückhaft. Leider gibt auch Ebelings Personalakte im Hinblick auf die ihm verliehenen Orden und Ehrenzeichen fast nichts her. Daher mussten die meisten Daten zu seinen Dekorationen aus den verschiedensten Quellen rekonstruiert werden und über die Verleihungsgründe bin ich meist auf Vermutungen angewiesen.
Sein Landesherr, der Herzog von Anhalt, verlieh ihm bereits 1901, anlässlich der Einweihung des neuen Rathauses in Dessau, das Ritterzeichen 1. Klasse des Hausordens. Im selben Jahr erhielt er das mit nur ca. 130 Verleihungen sehr seltene Erinnerungszeichen anlässlich des 90. Geburtstags der Herzogin-Witwe Friederike.
Wann Ebeling die Silberne Erinnerungsmedaille zum 25. Regierungsjubiläum des regierenden Herzogs erhielt, geben die mir vorliegenden Quellen leider nicht her. 1896, zum eigentlichen Jubiläum, war er noch in Meerane tätig und hatte auch vorher keine Verbindung zum Fürstenhaus. Ich gehe davon aus, dass er sie im Rahmen der wohl bis 1901 erfolgten „Nachverleihungen“ nach Amtsantritt als Dessauer Oberbürgermeister verliehen bekam.
Im Jahre 1907 wurde Ebeling mit dem Verdienstorden für Kunst und Wissenschaft geehrt. Wahrscheinlich führten seine zahlreichen Aktivitäten um die Förderung des Bildungswesens zur Verleihung.
Zum Fürstengeburtstag am 19.08.1913 wurde Ebeling der Titel „geheimer Regierungsrat“ verliehen.
Bereits sehr früh im Weltkrieg, am 27.09.1915, erhielt Ebeling das Friedrich- Kreuz am grün-weißen Bande für Nichtkämpfer.
Noch stärker als vom eigenen Landesherrn fiel der Ordensregen des Auslandes über Ebeling aus. Dies ist für einen wesentlichen Protagonisten einer Residenzstadt nicht ungewöhnlich, waren doch gerade diese oft Schauplatz von Staatsbesuchen und Feierlichkeiten der damals regierenden Familien.
Auffallend an Ebelings Nachlass allerdings ist die Häufung preußischer Orden und Ehrenzeichen. Diese fielen nicht nur im Rahmen der üblichen Besuche an, sondern zeigen eine ganz besonders enge Verbundenheit Anhalts und insbesondere Dessaus mit dem „großen Nachbarn“.
Seinen ersten preußischen Orden – den Roten Adlerorden 4.Klasse – erhielt Ebeling tatsächlich anlässlich eines Staatsbesuchs, nämlich des preußischen Königs in Dessau am 05.12.1904. Am 24.01.1910 folgte die Rothe Kreuz- Medaille 3.Klasse, wohl auch für seine zahlreichen karitativen Verdienste; denn dass sich Ebeling diese Medaille „erspendete“, kann ich mir bei der doch nicht so üppigen damaligen Besoldung nur schlecht vorstellen.
Im Kriegsjahr 1916 erfolgten recht schnell gleich drei preußische Ehrungen, im Mai der Kronenorden 3. Klasse, im Juli das Feuerwehr- Ehrenzeichen (auf Eingabe des Regierungspräsidenten von Merseburg, gemeinsam mit Baumeister Theodor Overhoff) und im Oktober die 2. Klasse der Rothe Kreuz- Medaille. Wann die Verleihung des Verdienstkreuzes für Kriegshilfe stattfand, ist momentan nicht rekonstruierbar. An seiner großen Ordens- Frackschnalle hat Ebeling es montieren lassen, allerdings den Kronenorden 3. Klasse nicht. Dessen Verleihung lag ja nun mal definitiv vor dem des erst im Dezember 1916 gestifteten Kriegshilfekreuzes. Am Knopflochschleifchen und der Miniaturenkette allerdings finden sich beide einhellig nebeneinander… wer weiß warum.
Besuche, Hochzeiten und verwandschaftliche Beziehungen der herzoglichen Familie resultierten auch für Ebeling in einem bunten Ordensregen quer durch Europa.
Am 02.03.1907 erhielt er das Ritterkreuz mit der Krone des Mecklenburger Greifenordens vom Großherzog Adolf Friedrich V. von Mecklenburg- Strelitz; dieser war mit Prinzessin Elisabeth von Anhalt, einer Schwester des Herzogs, verheiratet.
Eine weitere Schwester des Herzogs, Prinzessin Alexandra, war nach Schwarzburg verheiratet; von daher nimmt es nicht wunder, dass Ebeling auch von dort dekoriert wurde. Fürst Schwarzburg verlieh Ebeling das Ehrenkreuz 2. Klasse; dessen Annahmegenehmigung am 09.08.1907 im Staatsanzeiger veröffentlicht wurde. Mit selbem Datum wurde ihm auch die Tragegenehmigung für das Komturkreuz des Militär- und Zivildienst-Ordens Adolphs von Nassau, seit 1890 ein Luxemburger Orden, erteilt. Die Mutter des Großherzogs von Luxemburg – nicht überraschend – war Anhaltiner Prinzessin, nämlich Adelheid Marie von Anhalt-Dessau.
Am 29.01.1908 besuchte Johann Albrecht Regent des Herzogtums Braunschweig Dessau. Von den anlässlich des Besuchs an örtliche Honoratioren verliehenen 12 Orden vom Großkreuz bis zum Verdienstkreuz fiel natürlich auch einer für Ebeling ab; er erhielt das Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens Heinrichs des Löwen.
Ein Jahr später, am 26.05.1909 verheiratete sich eine weitere Prinzessin von Anhalt, Antoinette Anna, mit dem Prinzen Friedrich von Schaumburg- Lippe. Auch dieses Großereignis erbrachte Ebeling einen Orden, nämlich das Offizierskreuz des Fürstlich Lippeschen Hausordens. Bei diesem Anlass fiel der Ordenssegen etwas größer aus, insgesamt 26 Dekorationen, von der 1.Klasse bis zum silbernen Verdienstkreuz „schlugen in Anhalt ein“.
Einzig Anlass und Datum der Verleihung des Ritterkreuzes 1. Klasse des Württemberger Friedrichsordens konnte ich bisher nicht ermitteln. Die Verleihung muss zwischen 1908 und 1912 erfolgt sein. Vielleicht kann jemand aus der geneigten Leserschaft ja noch etwas ergründen.
Danksagung:
Für die gewährte tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels bedanke ich mich bei Karl-Heinz Meyer, Thorsten Straube, Daniel Krause und Jörg Stehl.
Quellen und Literatur:
Staatshandbücher Anhalt versch. Jg.
Kgl. Preuß. Ordenslisten, versch. Jg.
Deutscher Reichs- u. Königl. Preuss. Staatsanzeiger, versch. Jg.
Hzgl. Anhaltinischer Staatsanzeiger, versch. Jg.
Stadtarchiv Dessau, A 2.16 Personalakte Ebeling
https://gedenkkultur-dessau-rosslau.de/chronik/biografien/ebeling-ernst
Ludwig Arndt und Gerd Scharfenberg; „Zwischen Wörlitz und Mosigkau“, Heft 49; „Verdient um Anhalt“, Hrsg. Stadt Dessau und Museum für Stadtgeschichte Dessau, 1998
Regener, Ralf, „Der Sturz der Askanier 1918 in Anhalt“, Dessau 2013
Scharfenberg, Gerd; „Die Orden und Ehrenzeichen der Anhaltischen Staaten“, Offenbach 1999
Anhalt, Eduard Prinz v.; „Das verfluchte Jahrhundert – Eine Dynastie am Abgrund“, München 2023
Anmerkungen:
1 Siehe hierzu auch: Lit. 10, S. 58ff
2 Siehe: Lit. 7, S. 16f
3 Siehe: die einschlägigen Anhaltinischen Staatshandbücher
4 Benannt nach dem „ersten Askanier“ Esiko von Ballenstedt, siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Esico_von_Ballenstedt
5 Siehe: https://www.bismarcktuerme.net/dessau-rosslau
6 Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Hesse_(Politiker,_1881)
7 Siehe Lit. 8, S.30
8 Siehe: Scharfenberg, Gerd; „Die Orden und Ehrenzeichen der Anhaltischen Staaten“, Offenbach 1999
9 Stadtarchiv Dessau, A 2.16 Personalakte Ebeling
10 Siehe Staatshandbuch Anhalt 1912, S. 41
11 Ebd. S. 90
12 Frdl. Mitteilung von Dave Danner aus der in Erstellung befindlichen Verleihungsliste
13 Lt. Übersendungsschreiben in Ebelings Personalakte
14 Frdl. Mitteilung von Frank Heinrich
15 Frdl. Mitteilung von Stephan Schwarz
16 Frdl. Mitteilung von Daniel Krause
Veröffentlicht: Orden und Ehrenzeichen 25. Jg., Nr. 146 (August 2023)