Die Rettungsmedaille des Freistaats Anhalt

Zur Geschichte dieser Medaille hat unser Anhalt- Großmeister Dr. Scharfenberg bereits in seinem Buch umfassend berichtet. Von daher hier nur ein paar kurze Details.

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Vorderseite der freistaatlichen Rettungsmedaille

Trotzdem die neue Verfassung von 1919 in Artikel 109 klar sagte: „Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht mehr verliehen werden“, stellte sich schnell heraus, dass man doch nicht so ganz ohne Ehrenzeichen auskam.

Nachdem auch andere deutsche Staaten, so beide Mecklenburgs 1922, Württemberg 1924 und Preußen 1925 wieder Rettungsmedaillen gestiftet hatten, zog das Anhaltinische Staatsministerium am 18.09.1925 nach.

Im Amtsblatt für Anhalt wurde der Erlass veröffentlicht und Verleihungsrichtlinien klargestellt:

„…dem Vorgange der preußischen Staatsregierung folgend ist beschlossen, als Auszeichnungen für Taten allgemeiner Opferwilligkeit die Rettungsmedaille am Bande und die Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr zu verleihen. …

  1. Die Rettungsmedaille am Bande: Voraussetzung für ihre Verleihung ist in erster Linie eine besonders erhebliche mit der Hilfe verbundene Lebensgefahr und daneben ein vorzüglicher Beweis von Entschlossenheit und Selbstaufopferung oder ein sehr wichtiger Erfolg. Außerdem ist erforderlich, daß der Auszuzeichnende seiner ganzen Persönlichkeit nach einer solchen Auszeichnung für würdig zu erachten ist.

  2. Die Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr: Sie gelangt gleichfalls nur zur Verleihung, wenn der Retter bei dem Rettungswerke selbst in Lebensgefahr, jedoch minder erheblicher, sich befunden hat, als die Verleihung der Rettungsmedaille am Bande sie voraussetzt. Auf ihre Verleihung ist das Lebensalter des Retters, seine Würdigkeit vorausgesetzt, ohne Einfluß. Die Erinnerungsmedaille wird als endgültige Anerkennung verliehen, nicht etwa als vorläufige Auszeichnung mit der Anwartschaft auf Verleihung der Rettungsmedaille am Bande.

  3. Die Rettungsmedaille am Bande und die Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr verbleiben nach dem Ableben des Inhabers den Hinterbliebenen. Sie gelten als Auszeichnungen für Taten allgemeiner Opferwilligkeit, für die Rettung von Mitbürgern sowie für solche Handlungen, welche auf die Erfüllung einer Pflicht nicht zurückzuführen sind. Beide Auszeichnungen können hiernach im allgemeinen nicht in Frage kommen, wenn Personen, denen der Schutz des Lebens anderer anvertraut ist, bei der Rettung zwar ihr Leben einer gewissen Gefahr aussetzen, dabei aber nur innerhalb der Grenzen ihrer Pflicht handeln. In solchen Fällen haben Anträge auf Verleihung einer der beiden Medaillen nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es sich um außergewöhnliche Verhältnisse und eine das Durchschnittsmaß erheblich überschreitende Berufstätigkeit handelt. Die Verleihung einer der beiden Medaillen kann auch dann nicht erfolgen, wenn eine im übrigen noch so sehr anzuerkennende Rettungstat nicht bis zu einem gewissen Grade selbständig zu Ende geführt ist, sondern als Rettungsversuch angesehen werden muß und ferner, wenn der zu Rettende nur als Leiche geborgen worden ist.“

Unter derart scharfen Kriterien wundert es nicht, dass für die Rettungsmedaille am Bande nur vier Verleihungen nachgewiesen werden können. Sie gehört damit zu den großen Raritäten des Sammelgebiets.

Umso erfreulicher für den Vf. war die Tatsache, nicht nur eine solche Medaille, sondern auch noch eine mit Trägernachweis erwerben zu können.

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Rückseite der freistaatlichen Rettungsmedaille

Die Medaille ist aus einer Kupferlegierung gegossen und matt versilbert; die zu erwartende geringe Verleihungszahl machte offenbar die Anfertigung eines Prägestempels unrentabel.

Das vorliegende Exemplar misst 29 mm x 48 mm (mit Öse 51 mm), ist 2,8 mm stark und wiegt 31,1 g (mit dem zum Tragen verstärkten Band).

Die Gestaltung dieser nun freistaatlichen Medaille, wie nach politischen Systemwechseln durchaus üblich, weicht grundlegend vom vorherigen Modell, des Verdienstehrenzeichens für Rettung aus Gefahr ab. Eine sehr bewusste Abgrenzung zur Medaille aus dem Herzogtum liegt nahe. Die extrem hochovale Form ist einmalig für ein anhaltisches Ehrenzeichen.

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Das alte Verdienst-Ehrenzeichen für Rettung aus Gefahr aus dem Herzogtum

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Das alte Verdienst-Ehrenzeichen für Rettung aus Gefahr aus dem Herzogtum

Die Vorderseite zeigt das neue, freistaatliche Wappen. Die Mauer ist nun gerade, nicht mehr nach rechts aufsteigend, der Bär, dem nun wirklich etwas Eleganz fehlt, wandert schwerfällig nach links, statt wie bisher leichtfüßig die Mauer herauf zu klettern. Dass ihm die Krone abhandenkam, ist für ein republikanisches Ehrenzeichen selbstverständlich, aber auch auf das bisherige einengende Halsband kann der Bär nun verzichten.

Die rückseitige Beschriftung in moderner Sans-Serif-Schrift lässt vermuten, dass hier auch ein Stück Bauhaus- Moderne einfloss. Die künstlerische Urheberschaft ist nicht bekannt. Auch im Bauhaus-Archiv liegen hierzu keine weiteren Hinweise vor.

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Das Etui – die Ähnlichkeit zu den vormals herzoglichen Ordensetuis ist augenfällig

Beim Etui allerdings fehlt jeglicher revolutionäre Eingriff, man griff offensichtlich auf das „klassische Vorbild“ zurück. Das Etui misst 57x 100x 23 mm und ist in Form, Größe, Farbe und Dekor mit den früheren herzoglichen Ordens-Etuis identisch. Wahrscheinlich wurde hier ein altes Etui umgearbeitet, um die neue, moderne Medaille unterzubringen.

Eventuell war man im Staatsministerium über den eigenen Mut zur modernen Gestaltung derart „erschrocken“, dass man für das nur ein reichliches halbes Jahr später, am 10.04.1926, gestiftete Feuerwehr-Erinnerungszeichen zwar auch auf neues Wappen und moderne Schrift, aber ansonsten wieder sehr klassische Gestaltung zurückgriff.

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Das kurz nach der Rettungsmedaille gestiftete Feuerwehr-Erinnerungszeichen des Freistaats ist wieder „klassischer“ gestaltet“

Jeglicher bisher vielleicht erkennbarer Sarkasmus in der Beschreibung dieses eher ungewöhnlich gestalteten Ehrenzeichens verfliegt sofort, wenn man die Tatbeschreibung liest und macht Hochachtung vor der selbstlosen Rettungstat des Trägers Platz.

Die Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Neundorf berichtet zu diesem Ereignis:

„Großfeuer in der Dachpappenfabrik Malchow

In den Vormittagsstunden am 21.3.1933 wurde die Dachpappenfabrik A.F. Malchow von einem schweren Großfeuer heimgesucht. 15 Feuerwehrleute und 3 Werkarbeiter erlitten bei der Brandbekämpfung zum Teil schwere Verletzungen und mussten in das Staßfurter Krankenhaus gebracht werden, wo zwei dieser tapferen Leute verstarben. Es waren die Feuerwehrleute Branddirektor Hermann Hellman, Leopoldshall, und Feuerwehrmann Albert Weber, Neundorf.

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Das kurz nach der Rettungsmedaille gestiftete Feuerwehr-Erinnerungszeichen des Freistaats ist wieder „klassischer“ gestaltet“

Kurz nach 9 Uhr war das Feuer ausgebrochen und fand in dem Teerprodukt Dachpappe reichlich Nahrung. Nach einer gewaltigen Explosion folgte eine riesige Stichflamme, die erst in die Breite und dann in die Höhe ging und den 36 m hohen Schornstein noch überragte. Die Freiwilligen Feuerwehren von Leopoldshall, Staßfurt, Neundorf und Hecklingen kämpften gegen die Flammen an. Schwierig gestaltete sich die Wasserfrage, da große Mengen benötigt wurden. Der mit Stauwehr versehene Köksgraben an der Neundorfer Straße hatte sich dabei besonders bewährt. Gegen 12 Uhr hatten die Feuerwehrleute den Brand unter Kontrolle und konnten, bis auf die als Brandwache eingesetzten Wehren von Leopoldshall und Neundorf um 1.20 Uhr die Brandstelle verlassen. Als Brandursache wurde ein Überkochen einer Teerpfanne ermittelt.

Von der Neundorfer Feuerwehr mussten folgende Kameraden in das Staßfurter Krankenhaus gebracht werden: Franz Koch, Gustav Alsleben und Artur Seidel, die Arbeiter Leopold Hinze und der Bautechniker Feuerwehrmann Albert Weber, den die Ärzte nicht mehr helfen konnten.

Am Nachmittag des 27. März fand die Beisetzung des verunglückten Feuerwehrmannes, Bautechniker Albert Weber, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Sämtliche Feuerwehren aus der Umgebung gaben ihm das Ehrengeleit zur letzten Ruhestätte. Ausführliche Berichte über das Unglück und die verheerenden Folgen konnte man der Tagespresse entnehmen.

Der glücklicherweise überlieferte und liebevoll arrangierte Zeitungsausschnitt liefert genauere Angaben zur konkreten Tat und zum Träger. Hier zeigt sich, dass die Taten zur Erlangung einer Rettungsmedaille in nichts der Tapferkeit nachsteht, für die die mit unserem Hobby üblicherweise in Verbindung gebrachten militärischen Orden und Ehrenzeichen verliehen wurden.

Weitere Lebensdaten zu unserem tapferen Bierfahrer ließen sich leider nicht verifizieren.

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Die Innenansicht – auch hier fällt die Ähnlichkeit zu den alten Etuis ins Auge, evtl. wurde ein vorhandenes Etui nur mit einer neuen Einlage versehen

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Die Innenansicht – auch hier fällt die Ähnlichkeit zu den alten Etuis ins Auge, evtl. wurde ein vorhandenes Etui nur mit einer neuen Einlage versehen

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Der liebevoll arrangierte Zeitungsausschnitt mit der Beschreibung der Verleihung und der Rettungstat

Dank
Frau Dr. Heide Rezepa-Zabel, Berlin, Herr Daniel Krause, Potsdam, Torsten Straube, Markranstädt und dem Bauhaus-Archiv wird für die gewährte Hilfe und Anregungen herzlich gedankt.

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Klein aber fein!

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