Geschichte der anhaltischen Pässe
Vor einiger Zeit nahm ich Kontakt zu Tom Topol, einem Historiker für Reisepässe und Buchautor, auf. Gemeinsam beschlossen wir, einen ausführlichen Artikel über die Geschichte der anhaltischen Pässe zu verfassen. Dieses ambitionierte Projekt wird noch einige Zeit beanspruchen, doch mit diesem Beitrag möchten wir einen ersten Einblick in das Thema geben, das sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt. Die Ursprünge des Hauses Anhalt reichen dabei bis ins frühe Mittelalter zurück.
Tom Topol
Tom war an diversen Projekten beteiligt, darunter die Unterstützung des US-Außenministeriums in Washington, D.C. bei der Ausstellung historischer Reisepässe, wofür er eine Auszeichnung von der US-Regierung erhielt. Zudem wurde er von der ältesten Uhrenmanufaktur der Welt, dem Schweizer Unternehmen Vacheron Constantin, in deren limitierter Collector's Island Edition als einer von nur 10 Sammlern weltweit vorgestellt. Sein Buch “LET PASS OR DIE - 500 Jahre Passgeschichte” ist ausverkauft und nur noch als E-Book erhältlich. Weitere Einblicke in seine Sammlerstücke und in die Geschichte von Reisepässen sind unter https://www.passport-collector.com zu finden.
Die Geschichte des Hauses Anhalt
Das Haus Anhalt, ein deutsches Adelsgeschlecht, hat eine über neun Jahrhunderte zurückreichende Geschichte. Dieses Kapitel befasst sich mit den Ursprüngen, der Entwicklung und der Bedeutung des Hauses Anhalt, mit seinen verschiedenen Linien, Territorien und bedeutenden Mitgliedern, die die europäische Geschichte geprägt haben.
Ursprünge und Frühgeschichte
Die Ursprünge des Hauses Anhalt lassen sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen. Die Familie entstammt dem Adelsgeschlecht der Askanier, benannt nach Ascania (heute Aschersleben), einer Stadt in Sachsen-Anhalt. Das erste namhafte Mitglied des Hauses Ascania war Esico von Ballenstedt (gestorben nach 1059 vermutlich 1060), ein sächsischer Graf und Vasall des Heiligen Römischen Kaisers. Seine Nachkommen wurden die Begründer des Hauses Anhalt.
Otto, Graf von Ballenstedt (geboren um 1070 gestorben 1123), Enkel von Esico, vergrößerte den Einfluss der Familie durch die Heirat mit Eilika, Tochter von Magnus Billung, Herzog von Sachsen. Ihr Sohn, Albrecht der Bär (um 1100-1170), spielte eine entscheidende Rolle für den Aufstieg der Familie. Albrecht erbte von seinen Eltern bedeutende Territorien und unternahm eine Reihe von Feldzügen, um sein Herrschaftsgebiet zu erweitern, und wurde schließlich der erste Markgraf von Brandenburg. Als Markgraf von Brandenburg war er einer von sieben, die das Recht hatten den Kaiser zu wählen.
Die Teilung von Anhalt
Die vom Haus Askanien beherrschten Territorien waren groß und vielfältig, was zu häufigen Teilungen unter den Erben führte. Die Geburtsstunde des Landes Anhalt wird auf 1212 datiert, als Heinrich I., der Sohn Bernhards III. von Sachsen, das anhaltinische Gebiet als Erbe erhielt. Heinrich I. wird oft als Begründer des Hauses Anhalt angesehen, und seine Nachkommen regierten die Region über Jahrhunderte hinweg weiter.
Nach dem Tod Heinrichs I. im Jahr 1252 teilten seine Söhne das Herzogtum in drei separate Fürstentümer auf: Anhalt-Aschersleben, Anhalt-Bernburg und Anhalt-Zerbst. Diese Teilungen markierten den Beginn einer komplexen und oft zersplitterten Geschichte, da die nachfolgenden Generationen die Territorien weiter aufteilten und wieder vereinigten. Die ständigen Teilungen der Anhaltischen Territorien lagen am fehlenden Erstgeburtsrecht (Primogenitur).
Anhalt-Aschersleben
Anhalt-Aschersleben war das kleinste der drei Fürstentümer. Es wurde von den Nachkommen des ältesten Sohnes Heinrichs I., Heinrich II. regiert. Das Fürstentum kämpfte um seine Unabhängigkeit inmitten der Machtkämpfe der benachbarten Staaten. Die Line Anhalt-Aschersleben starb 1315 aus und das Land ging nach Erbschaftsstreitigkeiten an das Bistum Halberstadt über.
Anhalt-Zerbst
Anhalt-Zerbst, das dritte Fürstentum, wurde von Siegfried I., dem jüngsten Sohn Heinrichs I., gegründet. Dieser Zweig der Familie sah sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter interne Konflikte und externe Bedrohungen. Dennoch gelang es ihm zu überleben und zeitweise sogar zu florieren, auch dank der fähigen Führung von Herrschern wie Albert II. und Johannes II. 1793 erlosch die Line.
Anhalt-Köthen
Heinrich I. von Anhalt wurde 1218 in den Reichsfürstenstand erhoben. Nach mehren Linien von der älteren zur mittleren zur neuen Linie und diversen Nebenlinien wie Anhalt-Köthen-Pleß erlosch 1847 mit dem Kinderlosen Herzog Heinrich die Linie. Sämtliche Ländereien fielen an das Herzogtum Anhalt-Bernburg.
Anhalt-Bernburg
Anhalt-Bernburg, gegründet von Bernhard I., dem zweiten Sohn Heinrichs I., entwickelte sich zu einem stabileren und dauerhaften Fürstentum. Die Herrscher von Anhalt-Bernburg spielten eine wichtige Rolle in der regionalen Politik und verbündeten sich oft mit mächtigen Verbündeten, um ihre Souveränität zu erhalten. Die Nachkommen Bernhards I. erweiterten ihr Territorium und ihren Einfluss durch strategische Heiraten und militärische Allianzen. 1863 erlosch die Line.
Der Aufstieg von Anhalt-Dessau
Die Geschichte des Hauses Anhalt nahm im späten 16. Jahrhundert mit dem Aufstieg von Anhalt-Dessau eine bedeutende Wendung. Dieser Zweig der Familie, der 1546 von Joachim Ernst gegründet wurde, entwickelte sich schließlich zur bedeutendsten und einflussreichsten Linie des Hauses Anhalt.
Joachim Ernst (1536-1586) spielte eine entscheidende Rolle bei der Einigung der zersplitterten anhaltinischen Territorien. Er erbte Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen und schaffte es durch eine Reihe von diplomatischen und militärischen Manövern, die verschiedenen anhaltischen Fürstentümer unter seiner Herrschaft zu vereinen. Diese Einigung legte den Grundstein für die zukünftige Stabilität und den Wohlstand des Hauses Anhalt. In der Folge des Erbteilungsvertrages der Söhne Fürst Joachim Ernst wurde das vereinte Fürstentum Anhalt in Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen und Anhalt-Zerbst geteilt.
Der „Alte Dessauer“
Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747), auch der „Alter Dessauer“ genannt, diente als Feldmarschall in der preußischen Armee und spielte eine bedeutende Rolle bei den Militärreformen Friedrich Wilhelms I. von Preußen. Seine Führungsqualitäten und seine Innovationen in der Militärtaktik haben ihm ein bleibendes Erbe in der europäischen Militärgeschichte eingebracht. Der Beiname „Alter Dessauer“ wurde Ihm auf Grund seiner Volksnähe von seinen Untertanen „verliehen”.
Anhalt-Zerbst und Katharina die Große
Eine weitere bedeutende Persönlichkeit aus dem Hause Anhalt war Katharina die Große (1729-1796), geboren als Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst. Katharina heiratete den zukünftigen Peter III. von Russland und wurde schließlich nach einem Staatsstreich Zarin von Russland. Ihre Regierungszeit markierte eine Periode bedeutender Expansion und Modernisierung des Russischen Reiches und festigte ihren Platz als eine der einflussreichsten Herrscherinnen der europäischen Geschichte.
Das napoleonische Zeitalter und der Deutsche Bund
Die napoleonische Ära brachte bedeutende Veränderungen in der politischen Landschaft Europas mit sich, und das Haus Anhalt bildete dabei keine Ausnahme. Im Jahr 1806 wurde das Heilige Römische Reich aufgelöst, was zur Gründung des Rheinbundes, eines französischen Klientelstaates, führte. Die anhaltinischen Fürstentümer schlossen sich dem Rheinbund an und stellten sich auf die Seite Napoleon Bonapartes.
Nach der Niederlage Napoleons im Jahr 1815 führte der Wiener Kongress zu einer Neuordnung der deutschen Staaten und zur Gründung des Deutschen Bundes. Die anhaltischen Fürstentümer wurden innerhalb dieses neuen politischen Rahmens als Herzogtümer neu konstituiert. Das Haus Anhalt spielte weiterhin eine herausragende Rolle in der Regionalpolitik, indem es die Interessen größerer Mächte ausglich und gleichzeitig seine Souveränität behielt.
Die Vereinigung von Anhalt
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit bedeutender politischer Veränderungen in Deutschland, die in der Einigung der deutschen Staaten unter preußischer Führung gipfelten. Die anhaltischen Herzogtümer erfuhren in dieser Zeit mehrere territoriale Veränderungen und Neuordnungen.
Der Tod des letzten Herzogs von Anhalt-Bernburg, Alexander Carl, ohne männlichen Erben, führte 1863 zur Wiedervereinigung der anhaltischen Territorien unter der Herrschaft von Leopold IV. Friedrich von Anhalt. Diese Vereinigung beendete die jahrhundertelange Zersplitterung und machte das Herzogtum Anhalt zu einem zusammenhängenden und stabilen Gebilde.
Das Herzogtum Anhalt
Das 1863 gegründete Herzogtum Anhalt wurde Mitglied des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches. Die Herrscher des Herzogtums übten weiterhin großen Einfluss auf die deutsche Politik aus und orientierten sich an den Interessen der preußischen Monarchie.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der deutschen Monarchie übernahm Prinz Aribert die Regentschaft, sah sich jedoch im Zuge des revolutionären Geschehens am 12. November 1918 veranlasst, im Namen des minderjährigen Herzogs Joachim Ernst und der gesamten anhaltinischen Fürstenfamilie auf den Thron zu verzichten. Damit endete in Mitteldeutschland die dort seit dem elften Jahrhundert andauernde Herrschaft der Askanier. Das Herzogtum wurde daraufhin aufgelöst, und seine Gebiete wurden dem neu gegründeten Freistaat Anhalt eingegliedert, der später Teil des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt wurde.
Kulturelles und historisches Erbe
Die lange und wechselvolle Geschichte des Hauses Anhalt hat in der europäischen Kultur und Geschichte ein bleibendes Erbe hinterlassen. Das Mäzenatentum der Familie Anhalt in den Künsten und Wissenschaften, ihre Beiträge zu militärischen und politischen Entwicklungen und ihr anhaltender Einfluss auf regionale und nationale Angelegenheiten haben die historische Landschaft in Deutschland und darüber hinaus geprägt.
Architektonisches Erbe
Das architektonische Erbe des Hauses Anhalt zeigt sich in den zahlreichen Burgen, Schlössern und Kirchen, die sie im Laufe der Jahrhunderte erbaut und unterhalten haben. Zu den bemerkenswerten Beispielen gehört das Gartenreich Dessau-Wörlitz, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und die von der Linie Anhalt-Dessau geförderte Landschaftsgestaltung und Architektur der Aufklärungszeit veranschaulicht.
Kulturelle Beiträge
Das Haus Anhalt leistete auch einen bedeutenden Beitrag zum kulturellen Leben in seinen Territorien. Die anhaltischen Herrscher waren Kunstmäzene und unterstützten Musiker, Schriftsteller und Künstler. So war der Hof von Anhalt-Zerbst ein kulturelles Zentrum, das Persönlichkeiten wie den Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach anzog.
Historische Bedeutung
Der historische Einfluss des Hauses Anhalt reicht über sein unmittelbares Territorium hinaus. Mitglieder der Familie spielten eine entscheidende Rolle in der politischen und militärischen Entwicklung Europas, von der mittelalterlichen Ausdehnung des Heiligen Römischen Reiches bis zur modernen Einigung Deutschlands. Ihre Bündnisse, Eheschließungen und diplomatischen Manöver haben den Verlauf der europäischen Geschichte mitbestimmt.
Reisepässe
Pässe als offizielle Dokumente, die eine sichere Passage und Identifizierung ermöglichen, haben eine lange Geschichte, die mit der Entwicklung von Staatlichkeit und Souveränität verbunden ist. In Anhalt spielten Pässe eine wesentliche Rolle in Verwaltung, Kontrolle und Diplomatie. In diesem Abschnitt wird die Geschichte der Pässe in Anhalt anhand konkreter Beispiele, bemerkenswerter Persönlichkeiten und der weitergehenden Bedeutung dieser Dokumente untersucht.
Frühe Verwendung von Pässen
Im mittelalterlichen Europa waren sichere Geleitscheine die Vorläufer der modernen Pässe. Diese Dokumente garantierten Reisenden, Diplomaten und Kaufleuten eine sichere Durchreise. Wie andere Adelsgeschlechter stellte auch das Haus Anhalt solche Dokumente aus, um die Sicherheit und Identifizierung von Personen zu gewährleisten, die durch ihr Territorium reisten.
Eines der frühesten bekannten Beispiele für einen Pass, der für ein Mitglied der Familie von Ascania ausgestellt wurde, befindet sich im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt und stammt aus dem Jahr 1636. Die für Prinz August von Plötzkau ausgestellten Dokumente enthalten einen Salva-Guardia-Brief, der von Kurfürst Johann Georg von Sachsen ausgestellt wurde. Einige Forschungsergebnisse* gehen sogar auf ein sicheres Geleit aus dem 14. Jahrhundert zurück, das von Bernhard VI., Fürst von Anhalt-Bernburg, unterzeichnet wurde und einer Gruppe von Kaufleuten, die in die Hansestädte reisten, sicheren Durchgang gewährte. Dieser Pass erleichterte nicht nur den Handel, sondern trug auch zum Aufbau diplomatischer Beziehungen zwischen Anhalt und der mächtigen Hanse bei. * Es wurde keine eindeutige Quelle gefunden.
Ohne zu viel über den kommenden Artikel zu verraten, hier zwei bemerkenswerte Beispiele für anhaltische Pässe. Durch mein außergewöhnliche Netzwerk haben wir das Privileg, diese seltenen und frühen Dokumente aus dem Hause Anhalt zu präsentieren. Dokumente, die Sie nur hier online finden können: https://www.anhalt-askanien.com.
Einen großen Dank möchte ich hier schon einmal an das LASA (Landesarchiv Sachen-Anhalt, Abteilung Dessau geben, ohne diese großartige Hilfe, wäre es mir nicht möglich gewesen, solch einzigartige Dokumente abzubilden und zu erforschen.
Die Urkunde:
Stephen Graf Zichy von Vasonkö - Sr.Oesterreichisch-Kaiserlichen und Königlich - Apostolischen Mejestät, wirklicher Kämmerer und bevollmächtigter Minister am Königl. Sächsischen Hof.
Nachdem Vorzeiger dieses Sr. Durchlaucht der regierende Herzog Herr Leopold Friedrich Franz von Anhalt Dessau, mit seinem Gefolge und Bedienung ins Bad nach Teplitz und von da nach Prag zu reisen gesinnt ist, so werden alle hohe und niedere Civil- und Militair- Behörden nach Standesgebühr ersucht, selben aller Orten frey und ungehindert passieren, auch ihm nötigen Falls allen Vorschub angedeihen zu lassen, wofür man sich zu jeder gegenseitigen Willfährigkeit erbiethet.
Dresden, den 29. Juny 1808. In Abwesenheit des Herrn Gesandten, gez. Unterschrift. Dieser Paß ist gültig auf diese Reise.
Salva-Guardia-Brief (Schutzbrief) vom Feldmarschall Graf Hatzfeld für Schloss Plötzkau nebst Reisepass für Fürst August von Plötzkau vom 30. März und 24. April 1636.
Diese beiden Beispiele anhaltischer Passgeschichte sind aufgrund ihres Alters (388 Jahre) außergewöhnlich bzw. direkt an den regierenden Herzog des Hauses Anhalt und sein Gefolge ausgestellt. Solche Reisedokumente habe ich auf dem Sammlermarkt oder bei Auktionen noch nie gesehen. Das sind wahre Schätze der Passgeschichte.
Fortsetzung folgt….