Anhaltischer Verdienstorden für Wissenschaft und Kunst 3. Form 1. Klasse – Ein bisher unbekannter Träger
Die Orden und Ehrenzeichen der Anhaltischen Staaten haben Dr. Kurt Klietmann(1) und Gerd Scharfenberg(2) in ihren Büchern ausführlich dokumentiert.
Zum Verdienstorden für Wissenschaft und Kunst 3. Form führt Gerd Scharfenberg zur 1. Klasse wie folgt aus: Durch einen Höchsten Erlass des Herzogs Friedrich II. vom 19. August 1912, seinem 56. Geburtstag, bestand der am 30. Juli 1873 / 19. September 1875 von Herzog Friedrich I. geschaffene und am 1. Januar 1905 durch Herzog Friedrich II. in seiner Gestaltung veränderte Orden fortan aus 3 Klassen. Gleichzeitig erhielten die Ordensstatuten des Hausordens für den Verdienst-Orden für Wissenschaft und Kunst eine neue und zugleich letzte Fassung. Diese 3. Form des Ordens wurde von 1912 bis 1918 verliehen. Es sind keine Festlegungen darüber bekannt, ob bei der Verleihung der 1. Klasse bereits früher verliehene Ordenszeichen für Wissenschaft und Kunst in der 1. Form oder in der 2. Form bzw. die 2. Klasse, oder die 3. Klasse der neuen dreiklassigen Ausführung abzulegen waren, falls die Beliehenen solche Dekoration bereits besaßen. In der Praxis dürfte es jedoch bei den wenigen vorgekommenen Fällen so gehandhabt worden sein.
Die künstlerische Urheberschaft ließ sich auch hier nicht ermitteln. Die Ordenszeichen wurden durch die Firma J. Godet & Sohn, Berlin hergestellt. Die Lieferung der Ordenszeichen erfolgte durch die Firma Hofjuwelier Otto Heinzelmanns Witwe in Dessau.
Das hochovale Medaillon der 1. Klasse aus vergoldetem Tombak entspricht in seiner Gestaltung weitgehend dem 2. Modell, es ist jedoch größer und durchbrochen gearbeitet. Die Abmessungen schwanken zwischen 68 und 70 mm in der Höhe (mit Krone) bzw. 46 bis 48 mm (ohne Krone) und 38,0 bis 41,1 mm in der Breite. Die Stärke beträgt ca. 5 mm. Das Ordenszeichen wiegt 35,3 g. Die Krone ist 21 bis 22 mm hoch und 27,2 bis 29,0 mm breit; sie ist derjenigen identisch, die sich an den Komturzeichen mit der Krone befindet. Die Verbindung der Krone mit dem Ordenszeichen erfolgt mittels eines Scharniers. Durch den Reichsapfel der Krone läuft unbeweglich eine kreisrunde Öse zur Aufnahme des ovalen geschlossenen Bandringes.
Ein Probeexemplar der 1. Klasse, das dem Herzog 1912 vermutlich zur Approbation vorgelegt wurde, besteht aus unvergoldetem rötlichem Kupfer. Es ist noch nicht durchbrochen gearbeitet, scheint aber von den gleichen Prägestempeln zu stammen, mit denen später die verliehenen Ordenszeichen hergestellt worden sind. Die Probe hat am Oberrand eine angelötete stehende Drahtöse mit einem kreisrunden Bandring und trägt keine Krone. Sie wurde durch die Firma J. Godet & Sohn, Berlin angefertigt und befindet sich heute in einer privaten Sammlung.
Dr. Klietmann führt zu der 3. Form aus(3):
1. Klasse
VS. Wie die 2. Form - nur ist zwischen Mittelstück und Kranz ein schmaler Zwischenraum. Der Kranz ist oben und unten sowie links und rechts mit einem Bügel mit dem Mittelstück verbunden. Das Band, welches oben und unten und an beiden Seiten um den Kranz gewickelt ist, liegt doppelt.
RS. unverändert wie bei der 2. Form Abmessungen: Breite: 38 mm
Höhe mit Krone: 64 mm Höhe der Krone: 22 mm
Verleihungszahlen nennt Dr. Klietmann keine. Gerd Scharfenberg geht auch auf die Verleihungen ein und erwähnt vier nachweisliche Verleihungen und zwar:(4)
1. Januar 1914 Professor Dr. Hermann Wäschke, Geheimer Archivrat
1. April 1914 Professor Dr. Emil Weyhe, Lehrer in Dessau
28. Februar 1917 Kurt Müller, Vortragender Rat Dessau
1. Oktober 1917 Karl Pannier, Landgerichtspräsident in Dessau.
Des Weiteren führt er aus, dass nicht zu ermitteln war, ob der Halsorden (1. Klasse) auch an Personen in anderen Staaten (also nicht Anhaltiner) verliehen worden ist und ob sich möglicherweise Frauen unter diesen Beliehenen befinden.(5)
Bei einem Sammlertreffen im Süddeutschen Raum ist das nachfolgende Foto aufgetaucht.
Die Person auf dem Foto trägt unstrittig und klar erkenntlich den Verdienstorden für Wissenschaft und Kunst 3. Form 1. Klasse. Schnell war feststellbar, dass es sich bei dem auf dem Foto gezeigten Träger nicht um eine der vier vorstehenden Personen handelt.
Die Nachforschung nach dieser Person wurde erheblich erleichtert, da die Rückseite der Fotografie mit einem Widmungstext, zwei Unterschriften und dem Datum versehen ist.
Bei der fotografierten Person handelt es sich um den Opernsänger Heinrich Knote (1870-1953).
Heinrich Knote wurde am 26. November 1870 als Sohn eines Versicherungsoberinspektors in München geboren. Zunächst studierte er an der Münchener Akademie Gesang, wurde dort aber wegen „Talentlosigkeit und Stimmlosigkeit“ weggeschickt. Er nahm danach Gesangsunterricht bei Kantor Kirschner in München und trat schon nach zwei Jahren am 1.Mai 1892 als Georg im „Waffenschmied“ in der Münchner Oper auf.
In den nun folgenden fünf Jahren entwickelte er sich zum Star der Münchner Hofbühne. 1904-08 wetteiferte er als gefeiertes Mitglied der Metropolitan Opera in New York mit Enrico Caruso um die Gunst des Publikums. Kurze Zeit wirkte er an der Hamburger Oper, kehrte jedoch bald nach München zurück. 1923/24 nahm er an der Nordamerikatournee der German Opera Company teil. Ein Gastspielvertrag band ihn erneut an die Bayerische Staatsoper, wo er 1931 als Siegfried endgültig von der Bühne Abschied nahm.
Knote war der Bayerischen Staatsoper in München 40 Jahre treu. Allerdings befand er sich meist auf Gastspielreisen. Im Rahmen dieser wurden ihm auch diverse Orden und Ehrenzeichen verliehen.
Knote war einer der gefeiertsten Sänger in Deutschland. Auch im Ausland, insbesondere in den USA, war er sehr bekannt und populär. Knote beherrschte sämtliche Tenorpartien, ganz besonders die entsprechenden Wagner‘schen und Verdi‘schen Rollen. Seine Paraderollen waren zweifelsohne Siegfried und Tannhäuser. Zu seinen Ehren hängt heute noch ein Porträtbild von ihm in der Bayerischen Staatsoper.
Seine Stimme ist erhalten auf Schallplatten der Marken G&T (München 1906/1907), Gramophone (München 1908/1909, Berlin 1909, Wien 1910) und Anker (Berlin 1913) sowie auf unveröffentlichten Edison-Platten (USA ca. 1913) und bei Odeon (Berlin 1929– 1930), außerdem auf Edison-Walzen (USA 1906 und 1912).
Bei weiteren Recherchen konnte auch der Fotograf des Bildes bzw. das Atelier ermittelt werden. Im Bildarchiv des Stadtmuseums München befindet sich unter der Inventarnummer „G28/1439“ diese Fotografie(6). Der Bildautor/Fotograf ist Herr Theodor Hilsdorf vom Atelier Müller-Hilsdorf. Das Entstehungsjahr des Bildes ist seitens des Stadtarchivs mit „um 1910“ angegeben. Das Bild kann allerdings frühestens 1912 entstanden sein, da Knote bereits die 1. Klasse in der 1912 gestifteten Form trägt.
Müller, Sohn eines Pfarrers, besuchte das Gymnasium in Karlsruhe und absolvierte anschließend eine Buchbinderlehre. Seine fotografischen Fertigkeiten eignete er sich als Autodidakt an. Neben seinem Atelier hatte er eine permanente Ausstellung im Luitpold-Cafe München. 1903 übernahm Müllers Schwiegersohn Hilsdorf das Atelier. Hilsdorf hatte etwa seit 1894 bei Müller gearbeitet. Bis in die 1920er Jahre galt das Atelier Müller-Hilsdorf als eine der renommiertesten Adressen für Porträtfotografie in München.
Am 7. Januar 1945 wird bei einem Bombenangriff auf München das Vorderhaus in der Amalienstraße 15, in dem sich Atelier und Archiv des Foto- grafen Theodor Hilsdorf (1868–1944) befinden, zerstört. Die Einrichtung und etwa 100.000 Negativplatten wurden vernichtet. Teilweise unbeschädigt bleibt das Gartenhaus, in dessen Keller rund 2.700 Glasnegative, überwiegend im Format 24 x 18 cm, aufbewahrt gewesen sind. Es handelt sich dabei um Porträts prominenter Personen aus Adel und Politik, Kunst und Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft, die der Bildautor gesondert gelagert und ihnen damit einen besonderen Rang zugesprochen hat. Sie befinden sich heute im Besitz des Münchner Stadtmuseums, vereint mit über 300 Originalabzügen, die seit den ausgehenden 1920er Jahren angekauft wurden. Dieser Bestand ist auch ordenskundlich sehr interessant und eine Einsichtnahme wird empfohlen.
Die Datierung der Widmung auf der Rückseite des Fotos lautet wie folgt „Pöcking, 26.II.19“.
Pöcking ist der Wohnort des Ehepaares Knote. Diese unterzeichnen beide das Foto und danken für den schönen Abend.
Die Datierung und das vermutliche Entstehungsjahr des Fotos (lt. Stadtarchiv München um 1910) deuten klar darauf hin, dass es sich um eine Verleihung vor Abdankung von Herzog Joachim Ernst (Regierungszeit 13. September 1918 – 12. November 1918) handelt. Am 12. November 1918 verzichtete Prinz Aribert für den Herzog auf den Thron. Anhalt wurde nun ein Freistaat.
Dass in der Zeit zwischen 12. November 1918 und 26. Februar 1919 eine Verleihung erfolgte, ist unter anderem wegen den damals herrschenden Revolutionswirren, nahezu ausgeschlossen.
Die Stiftung erfolgte durch einen Höchsten Erlass des Herzogs Friedrich II. vom 19. August 1912, die Verleihung an Knote erfolgte somit zwischen diesem Datum und dem 12. November 1918.
Eine „Nachkriegsverleihung“ wie dies gerne durch andere ehemalige Landesherren erfolgte, ist somit auszuschliessen.
Im Bayerischen Staatshandbuch 1914 ist Knote noch nicht mit der 1. Klasse eingetragen. Für ihn ist lediglich die 2. Klasse des Anhaltischen Verdienstordens für Wissenschaft und Kunst verzeichnet („AWu. K“). Dass Knote nicht mit der 1. Klasse im Bayerischen Staatshandbuch 1914 gelistet ist, bedeutet nicht, dass die Verleihung noch nicht erfolgte. Veröffentlichungen über (ausländische) Verleihungen bzw. die Annahmegenehmigungen des Landesherren erfolgten teilweise erst Jahre nach der eigentlichen Verleihung.
Lt. Bayerischen Staatshandbuch 1912 erhielt Knote 1906 bereits den Anhaltischen Verdienstorden Wissenschaft und Kunst (somit 2. Form „altes Modell“7). Dieser ist auch sehr schön an seiner Miniaturenkette zu sehen.
Die Vermutung von Gerd Scharfenberg, dass der Halsorden (1. Klasse) Verdienstorden für Wissenschaft und Kunst 3. Form auch an Personen anderer Staaten verliehen worden ist, hat sich als richtig herausgestellt. Das Trägerfoto Heinrich Knotes mit rückseitiger Widmung beweist dies. Knote war Bayer und somit für Anhalt ein Ausländer.
Anmerkungen:
1 Klietmann, Berlin 1972, Seiten 38-40
2 Scharfenberg, Seiten 160-164
3 Klietmann, Berlin 1972, Seiten 39
4 Scharfenberg, Seite 162
5 Scharfenberg, Seite 162
6 https://muenchner-portraitsammlung.bavarikon.de/Sammlung/Knote,_Heinrich#lang-de
7 Scharfenberg, Seiten 158-159
Quellen:
- Kerber: Ausstellungskatalog Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum, Bielefeld 2007
- Klietmann, Dr. Kurt-Gerhard: Deutsche Auszeichnungen 3. Band Anhalt, Verlag „Die Ordens-Sammlung“ Berlin 1972 ISBN 3-87778-120-9
- Scharfenberg, Gerd: Die Orden und Ehrenzeichen der Anhaltischen Staaten 1811- 1835, Verlag PHV, Offenbach am Main 1999, ISBN 3-932 543-56-4
- Pohlmann, Ulrich und Koetzle, Hans-Michael (Hrsg) : Prominenz aus dem Garten- haus, Münchner Kreise, Der Fotograf Theodor Hilsdorf 1868 – 1944
- Privatsammlung Maximilian Ferdinand Leopold Prinz von Anhalt
- Privatsammlung/-archiv Ulrich Eberhardt
- Wikipedia, diverse Seiten
- www.https://muenchner-portraitsammlung.bavarikon.de/Sammlung/Knote,_Heinrich#lang-de
- www.bundesarchiv.de/nachlassdatenbank
Veröffentlicht: Orden und Ehrenzeichen 25. Jg., Nr. 143 (Februar 2023)